Antonia Stalder und Thomas Wälchli über die Rolle der Post in der Kreislaufwirtschaft
Was versteht die Post unter Kreislaufwirtschaft allgemein?
Antonia Stalder: Die heutige Wirtschaft funktioniert zum grossen Teil linear: Wir gewinnen Rohstoffe, fertigen daraus Produkte, nutzen diese und entsorgen sie dann. Es entsteht Abfall. Weltweit werden aber die Rohstoffe knapper. Und das lineare Modell wird zunehmend problematisch. Die Lösung dieses Problems liegt in der Kreislaufwirtschaft. Hier werden Energie- und Materialkreisläufe geschlossen.
Welche Kreisläufe sind das konkret?
Antonia Stalder: Es geht es darum, Produkte wieder und wieder zu nutzen, weil sie so gebaut sind, dass sie einfach repariert oder wieder aufgefrischt werden können. Sie werden auch intensiver genutzt, also beispielsweise geteilt oder weiterverkauft.
Und welche Rolle spielt Recycling?
Antonia Stalder: Recycling ist in der Kreislaufwirtschaft gewissermassen die letzte Option. Erst wenn die Lebenszeit eines Produktes wirklich aufgebraucht ist, wird es zerlegt, seine Komponenten und Rohstoffe gehen wieder in die Produktion zurück und es entstehen neue Produkte daraus.
Welche Rolle kann die Post in der Kreislaufwirtschaft spielen?
Antonia Stalder: Eine wichtige. Für das Schliessen der Kreisläufe müssen Produkte und Komponenten bewegt werden. Von der Nutzerin zur Reparatur oder am Ende der Lebensdauer zurück zum Verwerter. Hier ist die Post als Logistikunternehmen erste Ansprechpartnerin. Sie fährt täglich rund 3,8 Millionen Haushalte in der Schweiz an und hat die Möglichkeit, auf dem Rückweg etwas mitzunehmen. Die Post bringt es also nicht nur, sie holt es auch. So können wir als Drehscheibe in der Kreislaufwirtschaft funktionieren.
Einen wichtigen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leistet die Post also als Logistikunternehmen?
Thomas Wälchli: Ja, als Logistikerin können wir helfen, Kreisläufe zu schliessen, indem wir unsere Dienstleistung zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten. Die entscheidende Frage dabei ist, wie die Stoffe von den Endkonsumenten zurück zum Wiederverwendungspunkt kommen. Hier können unsere Fahrzeuge, die nach der Auslieferung leer sind, genutzt werden. Wir können Waren oder auch Verpackungen einsammeln und zurückbringen.
Gibt es darüber hinaus andere Möglichkeiten, wie die Post die Kreislaufwirtschaft fördern kann?
Antonia Stalder: Ja, die gibt es. Zum Beispiel können an den Zugangspunkten wie My Post 24, in einer Filiale oder in einer Filiale mit Partner Produkte abgegeben werden, die jemand teilen oder weitergeben will. Und bei der Erarbeitung von neuen Geschäftsmodellen kann die Post die nötigen Daten- und Finanzflüsse steuern helfen. Zum Beispiel beim Modell «Mieten statt besitzen».
Thomas Wälchli: Auch die Transportlösungen selbst spielen eine wichtige Rolle. Dazu gehören natürlich die Fahrzeuge, die bei der Post zunehmend mit alternativen Antrieben unterwegs sind. Aber auch Verpackungen sind wichtig. Mehrwegverpackung ist bei der Post seit Jahren ein Thema. Wir bieten mit der Dispobox und der ThermoCare Box für Pharmaunternehmen bereits Komplettlösungen an. Und wir werden diesen Bereich in absehbarer Zukunft ausbauen und haben bereits entsprechende Pilotversuche am Laufen.
Dann kann die Post die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz also aktiv voranbringen?
Antonia Stalder: Ein klares Ja. Sie kann es nicht nur, sie will es auch. Ihr Beitrag liegt einerseits in logistischen Geschäftsmodellen für das erneute Verwerten von Produkten oder zur Bewegung der diversen Komponenten. Und sie leistet einen Beitrag in der digitalen Verknüpfung der verschiedenen Stufen einer Produktnutzung. Also der Vernetzung von Hersteller, Nutzer, Reparierer oder Recycler. Wir wollen unsere soziale, ökologische und wirtschaftliche Verantwortung auch mit der Entwicklung von kreislaufwirtschaftsfähigen Angeboten zusammen mit unseren Kunden und Partnern wahrnehmen. Darin sehen wir ein riesiges Potenzial.
Gibt es schon konkrete Projekte und Partnerschaften?
Thomas Wälchli: Vor allem im Bereich Recycling und Repair gibt es ganz konkrete Lösungen, die wir mit Partnern zusammen entwickelt haben. Für Nespresso werden gebrauchte Kaffeekapseln zum Recycling abgeholt, für Swisscom und UPC alte oder defekte Router für die Reparatur. Leere PET-Flaschen werden eingesammelt. Die Projekte werden immer vielfältiger und umfassen mehr als Recycling. Wir arbeiten auch nicht nur mit einzelnen Geschäftskunden zusammen, sondern immer häufiger auch mit Gesamtmärkten.
Wie sehen Sie die Zukunft der Kreislaufwirtschaft bei der Post?
Thomas Wälchli: Die Post wird entsprechende Dienstleistungen in ihre Wertschöpfungskette integrieren. Die Beispiele von Nespresso oder Swisscom zeigen, dass erfolgreiche Kreislaufwirtschaft ein Gemeinschaftsprojekt ist. Hier wollen wir noch aktiver werden, unsere bisherigen Erfahrungen teilen und weitere Kreisläufe schliessen helfen.
Wie können Kundinnen und Kunden der Post hier mithelfen?
Antonia Stalder: Jede und jeder kann einen Beitrag leisten. Als Konsumentin habe ich grossen Einfluss. Dabei muss ich mich fragen: Brauche ich das wirklich oder könnte ich es ausleihen? Brauche ich es neu oder reicht secondhand? Will ich das günstigste Produkt oder lieber ein langlebiges, das sich auch reparieren lässt? Wenn sich das Verhalten der Konsumenten in Richtung kreislaufwirtschaftsfähige Angebote verschiebt, spüren das die Anbieterinnen. Sie werden sich bemühen, ihr Angebot anzupassen. Vom Produktdesign über den Versand bis zum zugrundeliegenden Geschäftsmodell. Und hier kommt die Post ins Spiel. Wir helfen, Produkte und Rohstoffe so zu bewirtschaften und zu bewegen, dass sie wieder und wieder genutzt und möglichst lange im Einsatz gehalten werden können.
Ist in Zukunft eine abfallfreie Postlogistik möglich?
Thomas Wälchli: Bei den heutigen Rahmenbedingungen muss ich ist es noch nicht möglich. Allerdings gibt es derzeit eine sehr dynamische Entwicklung bei den Materialtechnologien, bei der digitalen Steuerung der Warenströme und bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Kreislaufwirtschaft ist auch eine Spielwiese für viele Start-ups mit spannenden Ideen und Innovationen. Wir beobachten diese Entwicklung mit großem Interesse.
Hat die Post hier schon konkrete Pläne?
Thomas Wälchli: Ja. Was wir heute schon sehen: In den nächsten Jahren wird ein starker Aufschwung bei Mehrwegverpackungen erwartet. Die Post erarbeitet dafür ein neues Reverse-Konzept. Ziel ist es, diese Gebinde möglichst schnell vom Empfängerkunden zu einem zentralen Ort zu retournieren und damit in einem ersten Schritt massiv Karton einzusparen.